
“Architektur ist Leben, Ideen, Raum, Zeit aber alles muss eine Funktion haben“
(Lennart, GGS Freiligrathstr. 60, Köln, im Schuljahr 2014/2015, dritte Jahrgangsstufe)
Sie umgibt uns, unsere gebaute Umwelt. Wir begegnen ihr jeden Tag, im Außen- und Innenraum, auf allen unseren Wegen zur Schule und zur Arbeit und bei jeder Tätigkeit. Wir staunen über sie, wir empfinden sie positiv oder negativ oder gehen an ihr teilnahmelos vorbei. Wir versuchen, sie ständig zu verändern und zu beeinflussen indem wir unsere Wohnungen und Gärten gestalten oder Häuser und Arbeitsplätze bauen und diese einrichten. Bewusst und unbewusst versuchen wir sie so zu erschaffen, dass sie für uns schützend, nützlich und angenehm ist. Dabei wirkt sie auf uns nie passiv, sondern sie prägt und lehrt uns.
Im Entstehungsprozess ihrer Gestalt führt es zum bestmöglichen Ergebnis, wenn anerkannte, ästhetische Regeln und gewisse statistische Formeln befolgt werden, wenn die konstruktiven Möglichkeiten ausgeschöpft werden und diese ihrem historischen und kulturellen Zusammenhang angepasst sind. Wenn dabei die künstlerische Begabung und Freiheit des Entwicklers auf den Höhenpunkt gelangt, dann ist das Ergebnis brilliant.
„Architektur ist eine Idee im Kopf. Wenn diese Idee gut ist, malt man sie auf ein Blatt Papier aber sehr klein. Und dann baut man sie mit Materialien in echt.“
(Emma, 2015, GGS Freiligrathstr. 60, Köln, im Schuljahr 2014/2015, vierte Jahrgangsstufe)
Die Fähigkeiten die zu diesem Ergebnis führen, kann man erlernen und rechtzeitig verfestigen. Zumindest kann man Kinder und Jugendliche schon früh auf ihrer schulischen Laufbahn den Zugang zur Architektur erleichtern.
Dabei geht es nicht nur um ästhetische Bildung und das verständige Erleben der gebauten Umwelt. Hinter dem Gestaltungsprozess, gleich, ob man ihn nur als Zuschauer erlebt, oder selbst als Schöpfer tätig ist, verstecken sich Gedankengänge, ganze philosophische Welten, unterstützt von der konstruktiven Berechnung, von Mathematik und Logik. Die Architektur ist ein interdisziplinäres Fachgebiet. Es eignet sich besonders gut zur Unterstützung und Ergänzung der üblichen Lerninhalte. Sie verbindet das ästhetische und künstlerische Empfinden mit technischem Wissen und stärkt gleichzeitig ein bewusstes und positives Verhältnis der Menschen zu ihrer Umwelt und zu ihrer Kultur.
Über „Kultur und Schule“
Die Architektenkammer NRW hat das vor vielen Jahren erkannt und erklärt dauerhaft und mit großem Erfolg seit dem Jahr 2002 „Architektur in der Schule“ zu einem ihrer Bildungsziele.
Die drei Programme: „Kultur und Schule“, „KidS – Kammer in der Schule“ und „Architekten gestalten Unterricht“ werden durch die Architektenkammer unterstützt und sollen Schülerinnen und Schüler für Architektur und Stadtentwicklung sensibilisieren. Weitere Informationen und Projektdarstellungen: www.architektur-macht-schule.de . Im Bereich der Grundschule ist das Programm „Kultur und Schule“ des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW, an dem sich die Architektenkammer NRW seit dem Schuljahr 2009/2010 mit Unterrichtsprojekten aus den Bereichen Baukunst und Architektur tragend beteiligt, an häufigsten verbreitet.
Architektinnen und Architekten führen jährlich etwa 20 theoretische und praktische Unterrichtseinheiten in Nordrhein-Westfälischen Schulen durch. Je nach Profil der Schule, ihrem Schwerpunkt, organisatorischen, räumlichen und inhaltlichen Möglichkeiten, kann das Angebot der Architekten sehr flexibel angewandt werden. Die Unterrichtseinheiten können in Form einer AG im Bereich der OGS oder im regulären Schulprogramm, unterrichtsergänzend bzw. als Förderunterricht durchgeführt werden. Bzw. als eine Reihe von Architektur-Exkursionen mit und ohne Workshop, oder als ein Blockprojekt.
Inhaltlich bietet Architektur viel Fachwissen, das in der Grundschule komplementär eingesetzt werden kann. Über die Schnittstellen zu Mathematik und Geometrie oder zur Baugeschichte kann das allgemeingültige Schulprogramm gezielt vertieft und erweitert werden, z. B. durch die Themen aus der Architekturtheorie wie Symmetrie, Maßstab, Achse, Wiederholung, oder aus der Baustilkunde wie: Stadtgründung, Stadtentwicklung, historische Bauten als Stadtmerkmale usw.. Darüber hinaus durch die Anbindung an Tragwerklehre/Statik, Technik, Kunst und das Handwerk, wird das praktische Vermögen der Schüler und Schülerinnen geübt und weiterentwickelt und, durch all diese Komponenten, das Denken in komplexen Zusammenhängen gefördert.
Auch ungebunden vom gängigen Schulprogramm ist Architektur dem allgemeinen Wissen und Bildung sehr nutzbringend. Nicht zu unterschätzen ist das sichtbare, greifbare Ergebnis – das Werk. Es führt zum schnellen und großen Erfolgserlebnis und bestärkt dadurch den Reiz und die Motivation der Kinder. Vielleicht gerade dieses greifbare Ergebnis und das praktische Werken erklären den Erfolg des Architekturangebots an den Schulen. Denn sie entfalten die natürliche Begabung der Kinder zum Erschaffen und die angeborene Freude am Experimentieren und Erkunden. Die Auseinandersetzung mit den baukulturellen Themen hat auf die Schüler und Schülerinnern sehr inspirierende Wirkung, erweckt Interesse am Erleben der neuen, bis jetzt noch unbekannten Welten, an Reisen, Besichtigung der Städte und Länder oder an der Weiterentwicklung bereits erworbenen Wissens und Fähigkeiten.
Aus eigener Praxis
Seit dem Jahr 2008 sind Architektur und Städtebau als bildungsergänzendes Angebot für Kinder und Jugendliche zum Schwerpunkt meiner Tätigkeit als selbständige Architektin geworden. Nicht nur an Grundschulen, sondern auch an weiterführenden Schulen und in Kindertagesstätten biete ich Arbeitsgemeinschaften, Förderunterricht, Workshops und Wochenprojekte an. Mittlerweile sind es viele verschiedene Kooperationspartner, mit denen ich zusammengearbeitet habe bzw. an deren Projekten ich immer wieder beteiligt bin. Offene Ganztagsschulen mit AG-Angeboten, die Architektenkammer NRW und das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW mit dem Programm „Kultur und Schule“, die Stadt Köln mit der Begabtenförderung, das Kulturamt der Stadt Bonn mit dem Projekten „Kinder Kunst Kinder“, „Junge Kunst“ und zuletzt mit interkulturellen Kunstprojekten zur Förderung der Integration.
Die Inhalte meiner Projekte und ihre Schwerpunkte unterscheiden sich stark voneinander. Die Themen aus der alltäglichen Architektenpraxis wie: „Wolkenkratzer“ „Mein Traumzimmer“, „Farbe und Licht“, „Holzbauten“, „Ein Haus – Ein Ort“, und viele anderen, die stark angebunden an das praktische Werken sind, eignen sich exzellent für das regelmäßige AG-Angebot in der OGS. Komplexe Inhalte, die das Schulprogramm ergänzen, wie zum Beispiel die Thematik „Stadtgründung/Stadtentwicklung“ oder Projekte die sich mit einer bestimmten Bauepoche beschäftigen wie „Romanik in Köln“, bieten den Schülerinnen und Schülern viel zusätzlichen Lernstoff im Vormittagsunterricht und, ähnlich wie die, den Mathematikunterricht vertiefenden architektonisch-geometrischen Aufgaben, eignen sie sich sehr gut zur Förderung.
Auch die Kulturprogramme der Kooperationspartner berühren unterschiedliche Fachgebiete. So ist zum Beispiel „Junge Kunst“ (bis zum Jahr 2015 Kinder Kunst Kinder) ein Kunstprojekt der Stadt Bonn, an dem ich mich seit drei Jahren mit meinen Architektur-Workshops beteilige. Dem entsprechend sind auch die Themen meiner Kurse stark “künstlerisch“ und weniger an Wissenschaft und Lerninhalte angebunden.
Besonders viel Freiheit, aber auch Intensivität, bieten die Ferienprogramme: die Workshops und Archi-Expeditionen die ich im Block anbiete. Meine neuesten Vorhaben im Programm „Kultur und Schule“: „Architektur und Fotografie“ und „Architekturgeschichten“, sind spartenübergreifend. Sehr oft gewinnen die Projekte im Laufe des Geschehens eine eigene, positive und selbsttragende Dynamik. Das erfordert eine gewisse Flexibilität und Fähigkeit zu Ergänzung und Umplanung. Dies passiert oft im Kindergarten, wo die Bereitschaft der Kinder zum gegenseitigen, lebendigen Dialog besonders ausgeprägt ist.
Die Zusammenarbeit mit den Einrichtungen verläuft überaus gut. Immer wieder erlebe ich eine große Offenheit, Flexibilität in der Gestaltung des Angebots, sowie in der Anpassung des Kurses an den schulischen Alltag und eine gute Zusammenarbeit mit den Kollegien und den OGS-Teams, die zu einem konstruktiven Austausch und damit auch zum erfolgreichen Verlauf des Projekts, bedeutend beiträgt. Besonders erfreulich ist die Dauerhaftigkeit: Wenn sich aus einem Projekt eine langjährige Zusammenarbeit entwickelt, wie zum Beispiel mit der Münsterschule Bonn, an der ich bereits zwei Mal im Rahmen der OGS das Projekt „Kultur und Schule“ mit der Architektenkammer NRW durchgeführt habe und seitdem immer wieder in den Herbst- und Osterferien Wochenworkshops anbiete.
Die gelungene Mitwirkung der Architektinnen und Architekten an der Bildung Kinder und Jugendliche für alle Beteiligten sehr förderlich.